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15. September 2011, 20 Uhr
ehem. Druckerei Bauer
Annenstraße 19 (Innenhof), 8020 Graz
Musik: Dietmar Kreš & Josef Fürpaß
11. November 2011, 21 Uhr
BOEM*
Koppstraße 26, 1160 Wien
Zeichnungen: „peel slowly and see“, Florian Sorgo, Spanien 2011
www.
boem.postism.org
Mit Unterstützung von Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Kulturabteilung des Landes Steiermark & Kulturamt der Stadt Graz
Herausgeber & Verleger: RHIZOM
Umfang: 116 Seiten
deutsch/ spanisch
Auflage: 250 Stück, handnummeriert, gestempelt & in Weiterbearbeitung
Künstler/innenseiten: e.d. gfrerer, Leo Kreisel-Strausz, Mirko Maric, Consuelo Mora Benard, Florian Sorgo, Heinz-Joachim Schubert, Angelika Thon; Texte: Darwin René Andino Soto, Chico Güirila (Francisco González), Werner Fenz, Margit Franz, Reni Hofmüller, Werner Hörtner, Margret Kreidl, Leo Kreisel-Strausz, Jerónimo Lira, Irene López Meza, Consuelo Mora Benard, Rosa María Morales Palacio, Katharina Mraček-Gabalier, Franz Niegelhell
Vorwort
Am Anfang war der Blick
Warum Nicaragua? Es beginnt 1988 mit der einschneidenden Wahrnehmung, die wir im Zuge einer Arbeitsbrigade in Nicaragua machen. Der Eintritt in diese andere, uns völlig unbekannte Realität und das aufsteigende Bewußtsein, wie dieses Gefälle von einem der reichsten zu einem der ärmsten Länder zustande kommt, führt zu dem Anliegen, eine Wandmalerei (mural) zu realisieren, um einen differenten Blick auf dieses Land zu transportieren. Leonel Cerrato Jirón, mural, Kino im Augarten, Graz, 1989. Im gleichen Jahr gründen wir das Kunstkollektiv Rhizom, als Struktur selbstbestimmter Kultur-Arbeit und sind mit kritischen kunstpraktischen Analysen des Systems Kunst und -seiner Warenwelt beschäftigt, während sich dort in Nicaragua Wandmalerei als Übersetzungsmedium des gesellschaftlichen Umbruchs nach der Revolution von 1979 manifestiert. Wir fragen uns, ob beides möglich ist, die Involviertheit in politische Kämpfe und die künstlerische Auseinandersetzung mitten in postmoderner Ambivalenz. Wir entscheiden, das Eine und das Andere zu tun (Alles was wichtig ist, ist möglich!). Nachdem uns die rhizomatischen Verknüpfungen weiter nach Süden (Mexiko, Kolumbien) und Osten (Polen, Russland) führen, gerät Nicaragua aus unserem Blickwinkel. Erst der drohende Abbruch der mural 2008, der Verlust von etwas, das uns als vertrauter Bestandteil des öffentlichen Raumes wichtig ist, löst den Impuls aus, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen. Die Frage Was ist Nicaragua jetzt? 20 Jahre später und wo können wir in unserer Arbeit wieder anknüpfen, führt zu dem Projekt my space in global slices, mit Ernesto Salmerón, 2008, das in einer paradoxen globalen Versuchs-anordnung von der Unmöglichkeit spricht, die Dinge über die Distanzen zu bringen. Nach zwei Jahren Kampf um die Erhaltung der mural und die schlußendliche Niederlage im Polylemma von Zuständigkeitsverweisen und Wert- und Unwertexpertisen (Was ist schützenswertes Kulturgut?), bauen wir den nächsten paradoxen Raum, diesmal auf Trümmern: die Fragmente der Wandmalerei werden interessierten Personen zur privaten Archivierung überantwortet, um sie in einer Zukunft wieder zu einem öffentlichen, wenn auch fragmentierten, Bild zusammenfügen zu können. mural final, Graz, 2009; mural fragmental, Graz, 2010. Indem sich ein Kreis schließt, öffnen wir einen neuen. Mit Kunst im Öffentlichen Raum Steiermark finden wir einen Kooperationspartner der unsere Dehnung des öffentlichen Raumes von hier bis Nicaragua mitträgt und unterstützt. Alle Beteiligten sind Verantwortliche, Mitentscheider in einem gemeinsamen zirkulären Prozess, der mit desde aquí, Graz, 2009 einen Anfang, einen Abbruch und eine Fortsetzung findet. Die Geschichte beginnt in einer (Zelt-)Stadt im Zentrum der Hauptstadt Managua, die von hunderten Plantagenarbeitern/innen und ihren Familien aus Chinandega 2004 errichtet wurde. Als Proteststadt gegen die Vergiftung der Bananenarbeiter/innen durch Pestizide verbunden mit der Forderung nach würdiger Entschädigung von Dole (United Fruit Company). Diese Geschichte muss von den Betroffenen immer wieder erzählt werden und dieses Erzählen wird immer wieder zu anderen Möglichkeiten führen. Dieses immer wieder von Neuem anfangen, ist die Strategie gegen das Vergessen, gegen den Tod. Die Zusammenarbeit mit den Künstler/innen Consuelo Mora Benard, Roberto Guillén und den Bananenarbeiter/innen aus Chinandega, den Familien López Meza, Familie Morales, Jerónimo Lira, Francisco González u.a., führt zu Arbeiten im öffentlichen Raum Graz und Chinandega und entwickelt sich auf immer neuen Ebenen weiter. desde aquí. Graz mit Consuelo Mora Benard, Roberto Guillén u.a., 2010 und desde aquí. Chinandega und Graz 2011. Wenn wir von hier aus sprechen, sprechen wir auch immer von dort aus. Und indem wir die Frage nach Nicaragua stellen, stellen wir auch immer die Frage Was ist Österreich jetzt? Existieren wir vielleicht bereits nur mehr in unseren Verbindungen und unsere territoriale Zugehörigkeit wird obsolet?
…Der Radikant präsentiert sich als ein Denken der Übersetzung: die prekäre Verwurzelung beeinhaltet die Kontaktaufnahme mit einem Gastland, einem unbekannten Territorium. Jeder Kontaktpunkt auf der radikanten Linie stellt somit die Bemühung um eine Übersetzung dar… (aus: Der Radikant, Nicolas Bourriaud, Merve, 2009)