Offene Briefe/mails zur Räumungsklage Land Steiermark gegen RHIZOM

Chronologie der Ereignisse von12/ 2016 bis 06/2017
2017


31.12.2016: Wir sind gegangen worden, ziehen es aber lieber vor, zu bleiben. Uns fehlt die nötige Einsicht, uns unter­tänigst zu entfernen. Was juristisch vielleicht einwandfrei ist, gerät bei näherer Betrachtung zu einem ­Akt politischer Willkür, Intransparenz und Türstehertaktik*. Das geht so:
*siehe Franz Kafka: Das Schloss

Das Palais Attems steht im Eigentum der LIG (Landesimmobiliengesellschaft), das Land Steiermark, die Steiermärkische ­Landesregierung als Kollegialorgan, ist Haupt­mieter. Wir sind seit nunmehr 2 Jahren, jeweils mit 1-Jahresbefristung, Unter­mieter (Räume im Innenhof rechts 111 m2). Die Landesimmobiliengesellschaft hat uns im Mail vom 26.09.2016 über­raschender Weise mitgeteilt, dass unser ­Jahresvertrag (mit 31.12. 2016 endend) nicht mehr ­verlängert wird. Ohne Begründung oder irgendwelche wie immer gearteten Informationen über die ­Hintergründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben.

Das Spiegelpalais der politischen Verhältnisse. Zu ebener Erde und im ersten Stock…

Nun ist die Situation hier auch für die weiteren Mieter des Palais Attems wie Styriarte und Steirischer Herbst so, dass diese ebenfalls nur mit 1-Jahres­verträgen ausgestattet sind. Mit der unausgesprochenen Garantie, dass die Verträge im Sinne ­einer ­Planungssicherheit jährlich verlängert werden. Vor dem Hintergrund, dass ein großes Umbau­projekt mit neuem Nutzungs­konzept für das gesamte Palais Attems als Zukunftsszenario im Raum steht.
Warum wird unser Mietver­hältnis hier als ­Einziges, bevor noch irgendein konkretes Realisierungsvorhaben diesbezüglich evident ist, beendet?

CVAlbertinaCVTraungauStyriarteSteirischerHerbstManuskripte
AntiqitätenhandelDonumSteirischerSchach­verband bleiben, Rhizom muss gehen.


Laut Auskunft der Kulturabteilung des Landes kommt diese Entscheidung aus der Abteilung 2 und bezieht sich auf eine Landesregierungsentscheidung, die Musikwerkstatt der ­Styriarte ­betreffend, also explizit eine kultur­politische Agenda (1 siehe Anhang: Regierungsübereinkommen 2015 bis 2020). Nur weiß auch die Leitung der Styriarte (2 siehe Anhang: mail vom 30.09.2016) offensichtlich nichts über eine definitive Entscheidung über ein neues ­Nutzungskonzept das ganze Palais ­Attems betreffend. Die Musik­werkstatt läuft ja bereits seit geraumer Zeit, offensichtlich ohne Notwendigkeit der Nutzung unserer Räume. Überdies hat die Intendantin des Steirischen Herbstes eine temporäre Nutzung unserer ­Räumlichkeiten (gegen Zurverfügungstellung von Ersatzräumlichkeiten) für das Herbst-Festivalzentrum 2017 bei RHIZOM angefragt.


Schluss gefolgert stellen also unsere Räume keine notwendige Erweiterung der ­Musikwerkstatt dar, die Argumentation der Nichtverlängerung ist somit obsolet. Auch die angebliche Existenz eines Stufenplanes würde die Entscheidung über ein Nutzungskonzept voraussetzen, sonst wäre ja das Ziel des Planes völlig unklar. Also, was ist der Grund für diese selektive Nichtverlängerung in diesem Gefüge, während mit dem Antiquitätenhandel Donum und den anderen Mietern bereitwillig Verträge abgeschlossen bzw. verlängert werden? Und es Mietverträge gibt, die, wie im Fall der CV-Verbindungen im Haus, ­vermutlich unantastbar sind.

Wir halten dieses Vorgehen im Sinne einer Gleichbehandlung der Mieter für ­ungerechtfertigt und ­als Kultur­organisation kulturpolitisch für äußerst fragwürdig.

Wir fordern die Steiermärkische Landesregierung auf, in ihrer Funktion als Vermieter, die Entscheidung über unsere Nichtverlängerung zu ­revidieren und die Räumungsklage gegen RHIZOM zurückzuziehen. Wir warten von hier aus auf eine Kontaktaufnahme durch den politisch zuständigen Landesrat Dr. Schickhofer, der sich bis dato ­beharrlich in Schweigen hüllt.
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Mit freundlichen Grüßen,
RHIZOM kollektiv



1 aus KRÄFTE BÜNDELN – STEIERMARK STÄRKEN
KOALITION.ZUKUNFT.STEIERMARK
REGIERUNGSÜBEREINKOMMEN VON SPÖ UND ÖVP FÜR DIE XVII. GESETZGEBUNGSPERIODE 2015 BIS 2020
8. Kulturland Steiermark leben

Die bestmögliche Förderung und nachhaltige Stärkung steirischen Kunst- und Kulturschaffens, insbesondere der freien Szene und der regionalen Kulturinitiativen steht im Fokus der Kulturpolitik. In den nächsten Jahren wird weiterhin verstärkt darauf geachtet, dass die Vielfalt des steirischen Kulturschaffens bewahrt wird. Die Förderung und Wertschätzung der zeitgenössischen Kunst ist in der Steiermark ein besonderes Anliegen. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler am Beginn ihrer Karriere. Insbesondere die ­Planungssicherheit durch mehrjährige Förderverträge soll weiterhin gewährleistet werden. Die Durchführung von Calls mit thematischen Schwerpunktsetzungen soll Anreiz sein, Neues und Experimentelles im Bereich der zeitgenössischen Kunst zu ermöglichen.
Im Rahmen der internationalen Vernetzung von Künstlerinnen und Künstlern sind insbesondere Kunst- und Kulturkooperationen mit dem südosteuropäischen Raum sowie der Aufbau und die Nutzung internationaler Netzwerke vorrangige Ziele.
Absicherung der Landesbeteiligungen
Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zu den Landesbeteiligungen Universalmuseum Joanneum, Theater­holding (Oper, Schauspielhaus, next liberty) sowie zum steirischen herbst. Entsprechende Vertriebsvereinbarungen sind daher bis spätestens 2017 abzuschließen. In Anbetracht der budgetären Situation des Landes Steiermark soll von den Kulturgesellschaften des Landes Steiermark die Einbeziehung des Ehrenamtes von kulturinteressierten Steirerinnen und Steirern stärker forciert werden. Als innovativen Beitrag zur Vermittlung steirischen Kunstschaffens soll das Universalmuseum Joanneum eine öffentlich nutzbare Artothek aufbauen. Das Palais Attems soll als Musikwerkstatt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Folgende Projekte sollen im Rahmen der kommenden Legislaturperiode umgesetzt bzw. eingeleitet werden: Steiermark-EXPO, LICHT-Biennale, ­Digitalisierungsplattform für die Landesbibliothek sowie weitere Deregulierungen im Kultur­bereich.
Das Steirische Musikschulwesen und das Johann-Joseph-Fux-Konservatorium sind Grundlagen für ein vitales Kultur­leben in der Steiermark.

2 …Uns tut es leid, dass Ihr Nutzungsvertrag im Palais Attems nicht mehr verlängert werden soll. Auch unsere Mietverträge für die Räume hier im Haus haben eine Dauer von jeweils einem Jahr. Wie wir wissen, liegt das daran, dass das Land nach einem Verwertungskonzept für dieses Objekt sucht und sich nicht durch langfristige Mietverträge mögliche Schritte in diese Richtung blockieren möchte. Bekanntlich haben auch wir ein Nutzungskonzept für das Palais Attems beim Land Steiermark eingereicht, von dem momentan niemand sagen kann, ob es eine ­Realisierungschance hat oder nicht… Mit freundlichen Grüßen aus dem Hause styriarte, Katharina Schellnegger

3 Am 21. November 2016 erging ein Brief mit dem Ersuchen um Stellungnahme und Kontaktaufnahme an alle Mitglieder der Steiermärkischen Landesregierung siehe https://rhizom.labdecosas.com/project/text/id/183

RHIZOM ist als Verein für medienübergreifende Kultur-Arbeit seit 1988 hier in der Steiermark tätig, ist in der mittel­fristigen ­Fördervereinbarung von Stadt und Land, wird auch vom Bundeskanzleramt/Sektion Kunst unterstützt und leistet hier im Palais Attems wertvolle künstlerische Arbeit immer auch im gut nachbarschaftlichen Verhältnis zu den anderen Mietern. Als ­internationale Reputation kann auch unsere Teilnahme bei der 10. Zentralamerikanischen Biennale in Costa Rica im ­September 2016 angeführt werden.
Darüber hinaus fungiert RHIZOM hier vor Ort gemeinnützig als Vertriebsstelle für eine solidarische Bio-Landwirtschaft – das Hofkollektiv Wieserhoisl, organisiert seit einem Jahr Sprachkurse und die Betreuung von unbegleiteten Jugendlichen aus Syrien. Unser erfolgreiches kleines Musikfestival „toene differente“ im Innenhof mit mehr als 300 BesucherInnen (Kooperation mit Verein WERK02) und die Kooperation mit dem V:NM-Festival (Verein Neue Musik) kann auch als wert­voller Beitrag zur musikalischen Diversität im Palais gesehen werden. Allesamt ­Unternehmungen, wo der Ort mitten in der Stadt mit seinen niederschwelligen Zugangsmöglichkeiten eminent wichtig ist. Der Umstand der Nichtverlängerung verschärft unsere ohnehin „normal-prekäre“ Lage, war doch der Mietpreis des Landes wirklich fair und ein Glücksfall für uns, da wir aus unserem Kulturbudget schwerlich ­Kaution, Ablöse und Provisionen am „freien“ Markt zahlen könnten.Neues zur Räumungsklage Land Steiermark gegen RHIZOM



Offener Brief/mail vom 18.01.2017
Daseinsfreude vs. Räumungsklage

Danke für die regen Reaktionen auf unseren offenen Brief. Innerhalb kürzester Zeit hat die Kulturstadträtin der Stadt Graz Lisa Rücker gemeinsam mit dem Kulturamtsleiter der Stadt Dr. Peter Grabenberger ein Gespräch mit dem Land Steiermark initiiert, die Vizebürgermeisterin, Frau Elke Kahr Unterstützung signalisiert und den Landtagsklub der KPÖ informiert. Nicht zuletzt die IG-Kultur, unsere Interessensvertretung und verschiedene Einzelkünstlerinnen, die eigene Anfragen an Landespolitiker*innen gestellt haben. We are touched.
Vielleicht reift ja seitens des Landes noch die Erkenntnis, das Recht haben nicht unbedingt gerecht sein muss und hier eine Ungleichbehandlung vorliegt, die nach einer politischen Lösung verlangt.




Offener Brief/mail vom 25.03.2017
Schattenkabinett? – Neues zur Räumungsklage Land Steiermark gegen RHIZOM

Die Anfrage des Landtagsklubs der KPÖ* hat ergeben, dass auch Herr Landeshauptmann-Stv. Schickhofer nicht für das Palais Attems zuständig ist. Dann ist offensichtlich überhaupt niemand politisch zuständig oder die gesamte Steiermärkische Landesregierung will uns mit ihren Zuständigkeitsverweisen (jeder/e verweist auf vermeintlich andere Zuständige) ins Leere laufen lassen. Das heißt, niemand ist für diese Ungleichbehandlung politisch verantwortlich, der vom Land Steiermark beauftragte Rechtsanwalt soll die Räumungsklage als rein juristische Angelegenheit durchziehen. Wenn aber die Landesimmobiliengesellschaft (LIG) im Umkehrschluss keiner politischen Verantwortlichkeit untersteht, drängt sich die Frage auf, in wessen Interesse sie dann agiert? Im eigenen Interesse, im Interesse einer nicht benennbaren Vereinbarungsgruppe?

Am 15.03.2017 erging ein Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Graz-Ost im Namen der Republik an uns (wegen Räumung), wir wurden als beklagte Partei zur Zahlung der Prozesskosten von EUR 934,51 an die klagende Partei (Land Steiermark) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution verurteilt. Wir werden Widerspruch erheben.

Mit wem auch immer die Macht ist:
Wir fordern Sie auf, die Entscheidung über unsere Nichtverlängerung zu revidieren und
die Räumungsklage gegen RHIZOM zurückzuziehen.



*Schriftliche Anfragebeantwortung (§ 66 GeoLT)
 Zu:1421/1 Räumungsklage gegen Verein RHIZOM
(Schriftliche Anfrage an die Landesregierung oder eines ihrer Mitglieder (§ 66 GeoLT))
 
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ), LTAbg. Dr. Werner Murgg (KPÖ)
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann-Stv. Mag. Michael Schickhofer
Beilagen: Anfragebeantwortung
 
Betreff:
Räumungsklage gegen Verein RHIZOM
 
Betreffend der schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Claudia Klimt-Weithaler und Dr. Werner Murgg‚ gemäß § 66 GeoLT „Räumungsklage gegen Verein RHIZOM“, Einl. Zahl 1421/1, darf mitgeteilt werden, dass keine Zuständigkeit von Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Michael Schickhofer vorliegt.
vom 16.03.2017

„In wessen Zuständigkeit die LIG (und damit das Palais Attems) fällt, steht tatsächlich nicht mehr in der Geschäftsverteilung der Landesregierung. …Bis 2015 war das ganz einfach nachzulesen, damals war LH Voves verantwortlich. Natürlich werden wir dann die Anfrage neu stellen, auch wenn durch die langen Fristen die Antwort erst vor dem Sommer zu erwarten ist.“
Zitat: Georg Fuchs, Landtagsklub der KPÖ, mail vom 17.03.2017

 

Offener Brief/mail Nr. 3 vom 02.06.2017

Sieger sehen anders aus.
Räumungsklage Land Steiermark gegen RHIZOM

Am 4. Mai 2017 war die 2te Verhandlungsrunde. Sie musste unsererseits wieder unbesucht bleiben, um Kosten zu sparen. Nun wurde das Versäumungsurteil gesprochen. Wir sind schuldig, und als beklagte Partei zu den von der klagenden Partei (Land Steiermark) begehrten Leistungen (Räumung) und zur Zahlung der Prozesskosten von EUR 1.215,53 an die klagende Partei bei sonstiger Exekution binnen 14 Tagen verurteilt. Alles ist formvollendet und erwartbar vor sich gegangen – der Mietvertrag sprach ja eine eindeutige Sprache. Die Politik nicht. Sie hat das Feld kulturpolitischen Handelns der Landesimmobiliengesellschaft (LIG) überlassen, die offensichtlich (lt. aktueller Geschäftseinteilung) eigenmächtig, ohne einer politischen Verantwortlichkeit zu unterstehen, agiert. Das macht die Sache größer als unser privatisiertes mietrechtliches Problem.

Wenn alle Liegenschaften und Häuser des Landes, welche die LIG verwaltet, auch unser aller Eigentum sind, drängt sich die Frage auf, in welchem Interesse sie dann handelt. Im Interesse und zum Nutzen ihrer Gesellschaft oder unserer Gesellschaft?
Im Sinne einer transparenten, ausgewogenen Zuteilung, Vermietung und Verpachtung von Landeseigentum ist dringend ein Kriterienliste gefordert, die nachvollziehbar die Bedürfnisse und Erfordernisse (ob soziale wie kulturelle) berücksichtigt, auch die der Vielfältigkeit. Um dem nachhaltigen Eindruck entgegen zu wirken, dass nur jene, die sich in Nähe und Verbindung zu diesem Netzwerk befinden, auch in die Lage kommen, Raum zu fairen Bedingungen anmieten zu können.

Unser Erkenntnisparcour endet hier. Der letzten Akt eines absurden Theaters, indem das Land Steiermark die Räumung eines Kulturvereins beantragt, den sie seitens der Kulturabteilung seit nunmehr fast 30 Jahren unterstützt.Die Enttäuschung über das Verhalten der anderen Kulturinstitutionen hier im Palais Attems, die ja ähnliche Mietverträge haben, ist gross, außer Bedauern (Styriarte), Schweigen (Manuskripte) und angekündigte Unterstützung (Steirischer Herbst) war nicht viel an Solidarität zu spüren. Wir werden ja zu sehen bekommen, wer der Reihe nach die Schlüssel in die Hand bekommt.

Der Tanz des Lebens kann beginnen, auf die Bühne!


RHIZOM kollektiv


p.s.

Was wir gerne mitnehmen ist das Wissen in ein weit verzweigtes Netzwerk eingebettet zu sein, das solidarisch denkt und handelt. An dieser Stelle ein Dank an alle, die uns Angebote für Solidaritätskonzerte u.ä. gemacht haben, wir haben es leider organisatorisch nicht mehr geschafft alles jetzt unterzubringen, demnächst in einem anderen Theater.

Zu guter Letzt: Großen Dank an Claudia Märzendorfer, die ein großartiges Solidaritätskonzert in 9inch mit Eisschallplatte für uns gespielt hat.